Was ist die abstrakte Verweisung?
Die abstrakte Verweisung ist ein wichtiger Begriff in der Berufsunfähigkeitsversicherung (BU), der beschreibt, unter welchen Bedingungen ein Versicherer die Zahlung einer BU-Rente verweigern kann. Im Kern geht es darum, dass der Versicherer den Versicherten auf einen anderen Beruf verweisen kann, den dieser trotz seiner gesundheitlichen Einschränkungen noch ausüben könnte. Dies erfolgt unabhängig davon, ob der Versicherte diesen alternativen Beruf tatsächlich ausübt oder nicht.
Wie funktioniert die abstrakte Verweisung?
Wenn ein Versicherter aufgrund einer Krankheit oder eines Unfalls nicht mehr in der Lage ist, seinen aktuellen Beruf zu mindestens 50 % auszuüben, würde normalerweise eine BU-Rente fällig. Bei der abstrakten Verweisung prüft der Versicherer jedoch, ob der Versicherte theoretisch in der Lage wäre, eine andere Tätigkeit auszuüben, die seiner Qualifikation und bisherigen Lebensstellung entspricht. Ist dies der Fall, kann der Versicherer die Zahlung der BU-Rente verweigern, auch wenn der Versicherte diese Tätigkeit nicht ausübt.
Beispiel: Ein Bäcker kann aufgrund einer Erkrankung seine Tätigkeit nicht mehr ausüben. Hat er jedoch eine kaufmännische Ausbildung und könnte theoretisch als Bürokaufmann arbeiten, könnte der Versicherer die Leistung verweigern, da er auf diesen Beruf abstrakt verwiesen wird.
Voraussetzungen für eine abstrakte Verweisung
Die abstrakte Verweisung ist nicht beliebig und unterliegt klaren Voraussetzungen:
- Gesundheitliche Eignung: Der Versicherte muss körperlich und geistig in der Lage sein, den alternativen Beruf auszuüben.
- Ähnlicher Lebensstandard: Der neue Beruf muss dem Versicherten ermöglichen, seinen bisherigen Lebensstandard aufrechtzuerhalten.
- Ähnliche gesellschaftliche Stellung: Der alternative Beruf darf das Ansehen und die gesellschaftliche Stellung des Versicherten nicht wesentlich mindern.
- Passende Qualifikation: Der neue Beruf darf den Versicherten weder über- noch unterfordern. Ein extremer Wechsel, wie beispielsweise von einem Landschaftsgärtner zu einem Professor für Botanik, wäre nicht zulässig, da die Anforderungen und Qualifikationen zu unterschiedlich sind.
Der Versicherer trägt dabei die Beweislast. Das bedeutet, dass er konkret darlegen muss, dass eine abstrakte Verweisung möglich ist und auf welchen Beruf der Versicherte verwiesen werden kann. Pauschale Behauptungen reichen nicht aus.
Vorteile und Nachteile der abstrakten Verweisung
Vorteile:
- Günstigere Beiträge: Tarife mit abstrakter Verweisung sind in der Regel günstiger. Da der Versicherer das Risiko minimiert, wird die Berufsunfähigkeitsversicherung erschwinglicher.
- Versicherungsschutz trotz eingeschränkter Mittel: Für Menschen, die sich eine teurere BU-Versicherung nicht leisten können, bietet die abstrakte Verweisung eine Möglichkeit, trotzdem einen gewissen Schutz zu genießen.
Nachteile:
- Unsicherheit: Der Begriff “abstrakt” deutet bereits darauf hin, dass es hier keine klaren Grenzen gibt, was zu Streitfällen führen kann. Der Versicherte könnte im Ernstfall mit der Versicherung darüber streiten, ob die Verweisung auf einen anderen Beruf gerechtfertigt ist.
- Eingeschränkter Schutz: Ein Tarif ohne abstrakte Verweisung bietet einen umfassenderen Schutz, da der Versicherer nur dann die Leistung verweigern kann, wenn der Versicherte einen konkreten anderen Beruf tatsächlich ausübt.
Fazit
Die abstrakte Verweisung ist ein zweischneidiges Schwert. Sie ermöglicht günstigere Beiträge, geht jedoch mit einer gewissen Unsicherheit einher. Für Menschen mit begrenzten finanziellen Mitteln kann ein Tarif mit abstrakter Verweisung eine praktikable Lösung sein, um überhaupt einen Berufsunfähigkeitsschutz zu haben. Wer es sich leisten kann, sollte jedoch einen Tarif ohne abstrakte Verweisung in Betracht ziehen, um im Ernstfall umfassender geschützt zu sein.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
1. Ist die abstrakte Verweisung in jeder Berufsunfähigkeitsversicherung enthalten?
Nein, heutzutage verzichten viele Tarife auf die abstrakte Verweisung, insbesondere in höherwertigen oder Premium-Tarifen. Sie findet sich eher in günstigeren Basis-Tarifen.
2. Kann der Versicherer mich auf einen beliebigen Beruf verweisen?
Nein, der alternative Beruf muss bestimmte Anforderungen erfüllen: Du musst gesundheitlich dazu in der Lage sein, er muss zu deinem Lebensstandard passen und darf dein Ansehen nicht mindern.
3. Kann ich mich gegen die abstrakte Verweisung wehren?
Im Versicherungsfall kann es zu einem Streit darüber kommen, ob die Verweisung gerechtfertigt ist. Der Versicherer muss beweisen, dass der alternative Beruf tatsächlich für dich infrage kommt.
4. Warum sind Tarife ohne abstrakte Verweisung teurer?
Tarife ohne abstrakte Verweisung bieten einen umfassenderen Schutz, was das Risiko für den Versicherer erhöht. Dies führt zu höheren Beiträgen, da die Versicherung im Leistungsfall weniger Möglichkeiten hat, die Zahlung zu verweigern.
5. Sollte ich einen Tarif mit oder ohne abstrakte Verweisung wählen?
Das hängt von deiner persönlichen und finanziellen Situation ab. Wenn du es dir leisten kannst, bietet ein Tarif ohne abstrakte Verweisung mehr Sicherheit. Wenn du einen günstigeren Tarif bevorzugst und mit der Unsicherheit leben kannst, könnte ein Tarif mit abstrakter Verweisung eine Option sein.
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